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Intensiver Geschmack und spannende Zutaten – Kaffeekultur in Vietnam
Die Kaffeekultur Vietnams ist in vielerlei Hinsicht besonders. So entwickelte sich dort schon lange vor den anderen Ländern der Region eine ausgeprägte Wertschätzung für Kaffeespezialitäten. Während etwa in China Kaffee erst im Zuge der Globalisierung ein Thema wurde, lassen sich Vietnamesen das belebende Heißgetränk bereits seit dem 19. Jahrhundert schmecken. Über diese lange Zeit und durch diverse historische Ereignisse beeinflusst, entwickelte sich eine einzigartige Kaffeekultur. Von Hanoi bis Ho-Chi-Minh-Stadt genießen heute Einheimische wie Touristen die vielfältigen – und aus westlicher Perspektive recht ungewöhnlichen – Spezialitäten. Hierzu trägt auch bei, dass in dem südostasiatischen Land fast ausschließlich Robusta-Kaffee angebaut und konsumiert wird, während in den traditionellen Kaffeeländern Lateinamerikas und Afrikas Arabica-Varietäten die Plantagen dominieren. Die unzähligen Anbauflächen zwischen Laos, Kambodscha und südchinesischem Meer decken jedoch mehr als nur den heimischen Bedarf. Mit 20 Prozent der weltweiten Erträge hat sich Vietnam fest als Nummer Zwei der größten Kaffeeproduzenten etabliert. Grund genug, sich näher mit der Kaffeekultur des Landes auseinanderzusetzen.
Turbulente Geschichte
Der Beginn der vietnamesischen Kaffeekultur lässt sich relativ präzise datieren: Bereits im Jahr 1857 brachten französische Missionare die ersten Coffea-Pflanzen nach Indochina, das zum Kolonialreich ihres Heimatlandes gehörte. Eine ernstzunehmende Kaffeeproduktion entstand hieraus jedoch erst 1888, als erste große Plantagen angelegt wurden. Deren Erträge sollten vor allem den Bedarf der französischen Kolonialbeamten im Land decken. In den folgenden Jahren wurden die Anbauflächen unter Aufsicht der europäischen Machthaber zunehmend ausgeweitet, wodurch sich Kaffee zu einer relevanten Exportware entwickelte. Dieser Aufschwung fand mit der japanischen Besatzung im Zweiten Weltkrieg und der anschließenden Unabhängigkeitserklärung von Frankreich ein jähes Ende.[1] Es folgte eine jahrzehntelange Phase politischer und wirtschaftlicher Instabilität. Erst als der Vietnamkrieg 1975 endete, konnte sich die Kaffeewirtschaft langsam erholen. Nachdem in der neu vereinigten Sozialistischen Republik Vietnam zunächst sämtliche Kaffeefarmen verstaatlicht wurden, begannen ab Mitte der Achtzigerjahre marktwirtschaftliche Reformprogramme.[2] Heute machen kleine, private Farmen den Großteil der Produktion aus. Lediglich fünf Prozent des vietnamesischen Kaffees stammen noch von staatlichen Plantagen.[3]
Unterstützung aus Deutschland
Zur Erfolgsgeschichte der vietnamesischen Kaffeeindustrie leistete auch Deutschland einen wichtigen Beitrag. Neben einigen landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekten, die Westdeutschland bereits kurz nach Ende des Vietnamkriegs förderte,[4] ist insbesondere die Beziehung zur DDR hervorzuheben. Als Mitte der Siebzigerjahre die Weltmarktpreise für Kaffee drastisch anstiegen, führte dies schnell zu Versorgungsengpässen in Ostdeutschland. Abhilfe sollten hier mehrere Abkommen zwischen der DDR-Führung und der Regierung Vietnams schaffen: Im Austausch für die Hälfte der vietnamesischen Kaffee-Ernte über einen Zeitraum von 20 Jahren, verpflichtete sich die DDR zu materieller Aufbauhilfe und dem Wissenstransfer im großen Stil.[5] Profitieren konnte sie hiervon jedoch kaum, denn als 1990 die ersten großen Erträge in Vietnam geerntet wurden, war der sozialistische Bruderstaat bereits so gut wie Geschichte.[6] Im vereinten Deutschland spielte vietnamesischer Kaffee dennoch eine nicht zu unterschätzende Rolle – und noch bis heute ist die Bundesrepublik der größte Abnehmer.[7]
Robuste Pflanzen für hohe Erträge
Mittlerweile ist Vietnam so zum zweitgrößten Kaffeeproduzenten nach Brasilien aufgestiegen.[8] Der Anbau hebt sich hier allerdings von dem in traditionellen „Kaffeeländern“ wie Kolumbien oder Äthiopien durch den starken Fokus auf Robusta-Varietäten ab. Diese machen gut 97 Prozent der geernteten Bohnen im Land aus.[9] Aus Sicht der Produzenten ist die Verteilung naheliegend: Da die Pflanzen wesentlich anspruchsloser und pflegeleichter als Arabica-Sträucher sind, erhalten die Bauern auch mit geringem Aufwand hohe Erträge. Der für westliche Gewohnheiten recht bittere Geschmack und der sehr hohe Koffeingehalt des Robusta-Kaffees sorgen jedoch dafür, dass Baristas und Co. seltener mit vietnamesischem Kaffee arbeiten. International wird dieser deshalb zu großen Teilen als Füllmenge in Blends, für Instant-Kaffees oder in industriell verarbeiteten Produkten verwendet.[10] Einheimische schätzen hingegen den intensiven Geschmack und die nussig-schokoladigen Noten der Robusta-Bohnen – und verarbeiten sie zu spannenden Kaffeekreationen.[11]
Traditionell ungewöhnliche Kreationen
Als Basis für die vielseitigen Spezialitäten dient meist ein auf traditionell vietnamesische Art zubereiteter Filterkaffee. Dieser wird mit einem speziellen Metallfilter aufgebrüht, der direkt auf die Tasse beziehungsweise das Glas aufgesetzt wird. Da aufgrund der verwendeten Bohnen und deren äußerst dunkler Röstung ein sehr kräftig schmeckender Kaffee entsteht, wird besonders Touristen gerne zusätzlich heißes Wasser zum Verdünnen gereicht.[12] Neben der Zubereitung des Kaffees selbst, hebt sich die vietnamesische Kaffeekultur vor allem durch die Verwendung ungewöhnlicher Zutaten ab. Für die traditionelle Eiskaffee-Variante des Landes „Cà phê sữa đá“ wird der frisch gebrühte Kaffee beispielsweise in ein Glas eisgekühlter Kondensmilch gegeben.[13] In einigen Specialty Coffee Shops wird das erfrischende Getränk mittlerweile auch mit dunkel gerösteten Arabica-Bohnen zubereitet, wodurch es einen eleganten Geschmack mit fruchtigen Noten erhält. Die Variante ohne Kondensmilch, Cà phê đá, enthält hingegen nur etwas Zucker, wird aufgrund der hohen Temperaturen aber ebenfalls eiskalt getrunken. Kondensmilch wird in verschiedenen vietnamesischen Kaffeespezialitäten verwendet, da sie durch ihre Süße die Bitterkeit des Kaffees ausbalanciert und sich lange ohne Kühlung lagern lässt. Auch in „Cà phê trứng“, dem sogenannten Eierkaffee, kommt sie zum Einsatz. Die Kondensmilch wird hierzu mit Eigelb und Zucker zu einer schaumigen Masse geschlagen, die anschließend direkt auf den Kaffee gegeben wird.[14] Weitere, für europäische Gaumen unerwartete Zutaten, die gerne verwendet werden, sind Joghurt, Butter und Kokosmilch.[15]
Qualitätsoffensive mit internationalem Einfluss
Auch wenn traditionelle Zubereitungsarten und Getränkekreationen die vietnamesische Kaffeekultur noch immer weitestgehend bestimmen, finden internationale Vorlieben und Trends mittlerweile ebenfalls ihren Platz. Insbesondere in der Millionenmetropole Ho-Chi-Minh-Stadt sind moderne Cafés und Coffee Shops mit stilvoller Inneneinrichtung und Wohlfühl-Ambiente keine Seltenheit mehr. Eine neue Generation von vietnamesischen Kaffeekennern achtet hier auf höchste Qualität, von der Farm bis zur Tasse.[16] Hiermit einher geht ein verstärkter Fokus auf den Anbau von Arabica-Varietäten wie Bourbon, Typica oder Moka.[17] Sie überzeugen mit wesentlich dynamischeren Geschmacksprofilen als die widerstandsfähigen Catimor-Pflanzen, die bisher die wenigen Arabica-Anbauflächen Vietnams dominierten. Höhere Qualität geht demnach für die Kaffeebauern mit gestiegenem Aufwand beim Anbau einher.[18] Für die geschmacklichen Vorzüge der Robusta-Bohnen entsteht zudem langsam ebenfalls ein neues Bewusstsein. Vietnamesische Baristas in Europa und den USA nehmen hierbei eine Vorreiterrolle ein und verhelfen den geschmacklich intensiven Kaffees ihrer Heimat auch international zu neuer Wertschätzung.[19]
Kompakte Vollautomaten erobern den Markt
Internationale Maschinenhersteller wie WMF Professional Coffee Machines leisten ebenfalls einen wichtigen Beitrag zum Wandel auf dem vietnamesischen Kaffeemarkt. Denn während kleine Cafés und mobile Straßenstände weiterhin auf die traditionelle Filtermethode oder kompakte Siebträgermaschinen setzen, kommen in den vielzähligen Convenience Stores hauptsächlich Vollautomaten zum Einsatz. Bereits seit 2013 vertreibt WMF seine Maschinen in Vietnam deshalb über den Handels- und Servicepartner „Epicure“, der mit Büros in Ho-Chi-Minh-Stadt, Hanoi und Đà Nẵng in drei der größten Städte des Landes präsent ist. Zum eindeutig gefragtesten Modell aus dem Portfolio entwickelte sich seither die WMF 1100 S. Die kompakte und leistungsstarke Maschine entspricht mit zwei Mühlen sowie einem unkomplizierten Milchsystem genau den Anforderungen der meisten Kunden vor Ort. Um den geschmacklichen Vorlieben der Vietnamesen gerecht zu werden, nehmen die Techniker zudem entsprechende Anpassungen an den Maschineneinstellungen vor – so müssen für die gewünschte Stärke etwa mindestens 20 Gramm Kaffee gemahlen und zweifach gebrüht werden. Größere Vollautomaten, wie die WMF 1500 S+ oder die WMF 5000 S+ finden sich hingegen fast ausschließlich in Hotels.
Nachhaltig erfolgreich in die Zukunft
Vietnams Kaffeekultur blickt in eine vielversprechende Zukunft. Die ausgefallenen Kaffeespezialitäten des Landes erhalten auch international immer mehr Aufmerksamkeit und begeistern Kaffeeenthusiasten auf der ganzen Welt. Im Zuge dessen steigt auch das Ansehen der vietnamesischen Kaffeebohnen selbst: Neu angebaute Arabica-Varietäten überzeugen hier ebenso wie Robusta-Kaffees, deren Geschmacksprofil im Westen langsam mehr Anerkennung findet. Rein quantitativ hat sich Vietnam indessen längst als Big Player etabliert. Trotz Containerknappheit und hohen Frachtkosten, welche die Exporte aktuell etwas bremsen, ist das Land nicht von Platz zwei der größten Kaffeeproduzenten zu verdrängen.[20] Die hauptsächliche Fokussierung auf widerstandsfähige Robusta-Pflanzen garantiert selbst bei ungünstigen klimatischen Bedingungen konstante Erträge. Diese finden aufgrund gleichbleibend hoher Nachfrage, besonders aus Deutschland und den USA, sichere Abnehmer. Einem nachhaltigen Wachstum der vietnamesischen Kaffeeindustrie steht so nichts im Weg.
Fussnoten
[1] Wikipedia, Coffee production in Vietnam (https://en.wikipedia.org/wiki/Coffee_production_in_Vietnam)
[2] The Heritage Line, The History of Vietnamese Coffee (https://heritage-line.com/magazine/the-history-of-vietnamese-coffee-and-how-to-brew-your-own/)
[3] Kaffeezentrale, Vietnam (https://www.kaffeezentrale.de/vietnam)
[4] Wikipedia, Deutsch-vietnamesische Beziehungen (https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-vietnamesische_Beziehungen)
[5] Wikipedia, Kaffeekrise in der DDR (https://de.wikipedia.org/wiki/Kaffeekrise_in_der_DDR)
[6] Happy Coffee, Vietnamesischer Kaffee (https://www.happycoffee.org/blogs/anbaugebiete/vietnamesischer-kaffee-vietnam-anbaugebiet)
[7] United States Department of Agriculture, Annual Coffee Report: Vietnam (https://apps.fas.usda.gov/newgainapi/api/Report/DownloadReportByFileName?fileName=Coffee%20Annual_Hanoi_Vietnam_05-15-2021.pdf)
[8] The Heritage Line, The History of Vietnamese Coffee
[9] Perfect Daily Grind, Exploring Vietnamese Coffee (https://perfectdailygrind.com/2021/02/exploring-vietnamese-coffee/)
[10] Kaffeetechnik Seubert, Das Kaffeeland Vietnam (https://www.kaffeetechnik-shop.de/kaffeejournal/das-kaffeeland-vietnam-von-der-ddr-kaffeekrise-zum-eierkaffee/)
[11] International Comunicaffe, Coffee culture is growing in Vietnam and quality Robusta will blow you away (https://www.comunicaffe.com/coffee-culture-is-growing-in-vietnam-and-quality-robusta-will-blow-you-away/)
[12] Docklands Coffee, Vietnamesischer Kaffee – was ist der Unterschied? (https://www.docklands-coffee.de/vietnamesischer-kaffee-unterschied-)
[13] Perfect Daily Grind, Exploring Vietnamese Coffee
[14] Kaffeetechnik Seubert, Das Kaffeeland Vietnam
[15] Perfect Daily Grind, Exploring Vietnamese Coffee
[16] International Comunicaffe, Coffee culture is growing in Vietnam and quality Robusta will blow you away
[17] Happy Coffee, Vietnamesischer Kaffee
[18] Perfect Daily Grind, Vietnamese Coffee & The Path Towards High-Quality Arabica (https://perfectdailygrind.com/2018/05/vietnamese-coffee-the-path-towards-high-quality-arabica/)
[19] International Comunicaffe, Coffee culture is growing in Vietnam and quality Robusta will blow you away
[20] United States Department of Agriculture, Annual Coffee Report: Vietnam